Billard ist zur Nebensache geworden

Das war eine (Tor)Tour, die keiner braucht. Eine Europameisterschaft, die bei ihrer 12. Auflage am Ende zwar einen Titelträger, aber auch viele enttäuschte Gesichter präsentierte. „Wir sind ewig unterwegs gewesen“, brachte es Thomas Berger vom DBC Bochum auf den Punkt, „um zweimal zu verlieren, zwei Partien zu gewinnen und nach der Vorrunde auszuscheiden.“ Und dann habe man sich noch nicht einmal die Finalpartien ansehen dürfen.“ Die fanden alle hinter verschlossenen Türen statt. Vermutlich die ersten „Geisterspiele“ der Billardgeschichte.

„Billard ist zur Nebensache geworden“, grüßt also das Team des DBC Bochum vom Finale des Coupe d’Europe für Classic Teams aus dem nordfranzösischen Douarnenez. Und damit meint Teamchef Paul Kimmeskamp nicht die Tatsache, dass der DBC, erstmals seit Jahren, nach zwei Niederlagen bereits in der Vorrunde scheiterte. „Frankreich wird verriegelt und verrammelt“, sagt er, „und wir leiden gleich mehrfach darunter.“

Nach dem Ausscheiden auch des BC Hilden, der sich als Meister erstmals für den Wettbewerb qualifiziert hatte, setzte der Veranstalter die beiden Deutschen Teams gewissermaßen auf die Straße. Die Finalrunden im Saal Jules Verne fanden ohne die Ausgeschiedenen und ohne Zuschauer statt, und auch die Schlussveranstaltung ohne die deutschen Spieler. Lediglich aktuell beteiligte Spieler, Schiedsrichter, Helfer und die Offiziellen des Europäischen Billardverbandes CEB durften ab 12 Uhr hinein. „Um 14 Uhr wird hier alles abgeschlossen“, ergänzt Ludger Havlik am Telefon. „Wir können nirgendwo mehr hin. Cafés, Restaurants, auch unser Hotel. Alles zu.“ Die Empfehlung des Veranstalters: alle sollen heimreisen.

Dass die Hotelgruppe Valdys ihr Haus in der Rue Des Professeurs Curie den dort wohnenden Spielern nur noch zum Schlafen öffnete, machte Kimmeskamp und seine Jungs höchst betroffen. „Aber wir müssen mit den Leihwagen ja sowieso am Montag früh schon um sechs Uhr los, um unseren Flug ab Nantes zu erwischen.“ Von dort geht es mit dem Flugzeug nach Düsseldorf.

„Hoffentlich geht das alles gut“, sagt Kimmeskamp. Auf der Hinreise war nämlich der gebuchte Direktflug von Düsseldorf nach Nantes gecancelt worden. „Wir mussten dann in Paris einen ungeplanten Zwischenstopp einlegen.“ Eine mögliche Reise-Variante mit dem Auto war schon im Vorjahr abgelehnt worden. „Das sind 1130 Kilometer“, rechnet Thomas Berger vor. „Da bist du ewig unterwegs.“

Zurück zum Sportlichen. Nachdem die erste Begegnung gegen den BC Vic verloren war, musste ein Sieg gegen Soissons her, die ebenfalls den Spaniern unterlegen waren. Vic und Titelverteidiger Douarnenez, das war klar, würden ohne Niederlage ins Halbfinale einziehen. Sowohl der DBC als auch der BC Hilden (gegen Oissel) hätten mit einem Sieg als Gruppenzweiter ebenfalls die Finalrunde erreichen können. Beide allerdings konnten nicht gewinnen.

Hatte Sam van Etten gegen Vic noch geglänzt, war er in der Partie gegen Soissons ein Schatten seiner selbst. Gegen die Franzosen war es Ludger Havlik, der eine blitzsaubere Cadre-Partie ablieferte. „Mehr war an diesem Wochenende einfach nicht drin“, bilanziert Paul Kimmeskamp und erinnert daran, dass man ohne Thomas Nockemann ersatzgeschwächt in die Bretagne gereist war.

Der Schweizer Xavier Gretillat, der jahrelang als Edelreservist für den DBC Bochum im Einsatz war, spielte für Oissel und gewann bis zum Finale alle seine Partien mit soliden Leistungen.

Statt der Coupe-Finals gönnten sich die Bochumer einen kleinen Abstecher nach Quimper, der heimlichen Hauptstadt der Bretagne. „Eine tolle Stadt, in der aber auch alles abgeschlossen war“, sagt Ludger Havlik. „Aber eigentlich hätten wir alle gerne Billard gesehen.“

DBC Bochum – BC VIC 2:4
Einband: Van Etten – Espinaza 120:79/10
Cadre 47/2: Havlik – Mata 136:250/5
Cadre 71/2: Berger – Cuenca 60:200/7

DBC Bochum – BC Soissons 2:4
Einband: Van Etten – Remond 26:120/8
Cadre 47/2: Havlik – Dessaint 250:129/3
Cadre 71/2: Berger – Careaux 112:200/11

Halbfinale:
BC Douarnenez Valdys – Soissons 4:2
BC Oissel – BC Vic 4:2

Finale:
Douarnenez Valdys – BC Oissel 4:2

Info:
Das Billard-Video-Portal Kozoom meldete schon vor Beginn des zweiten Halbfinales zwischen Oissel und Vic, dass „wegen Corona der Terminplan so verändert wird, dass die Meisterschaft schnellstmöglich beendet werden kann.“ Immerhin konnte man die Finals im Internet verfolgen.

Der Coupe d’Europe für Classic Teams wurde erst 2008 aus der Taufe gehoben, nachdem es diesen Wettbewerb für Dreiband-Teams bereits seit der Saison 1958/59 gibt.

Der DBC Bochum war immer in der Finalrunde vertreten, gewann aber lediglich ein Mal: 2017 in Prag. Sam van Etten war damals wie jetzt dabei, ebenso wie seine Großeltern Dick und Carla, die mit Sam per Direktflug aus Amsterdam angereist waren.

Screenshots: Kozoom.com